Wählerinnen und Wähler wünschen pragmatische Unterstützung einer möglichen Minderheitsregierung

Die Mannheimer Politik­wissenschaft­lerin Dr. Theres Matthieß und der Politik­wissenschaft­ler Prof. Dr. Christian Stecker zeigen anhand von Umfragedaten, dass die Anhängerinnen und Anhänger aller im Bundestag vertretenen Parteien mehrheitlich dafür sind, eine mögliche Minderheitsregierung zu unterstützen. Doch es gibt auch Vorbehalte gegen das Regieren mit wechselnden Mehrheiten.

Nach der Bundestagswahl sind mehrere Koalitions­optionen möglich. Während derzeit eine rechnerisch denkbare GroKo als unattraktiv gilt, werden eine Jamaika- oder Ampel-Koalition diskutiert. Ausgeblendet wird bisher, dass auch ein Regierungs­format möglich ist, das in anderen Ländern üblich ist, in Deutschland jedoch als Wagnis gilt: Eine Minderheitsregierung, die je nach inhaltlicher Überschneidung bei bestimmten Themen wechselnde Mehrheiten im Parlament mit unterschiedlichen Parteien bildet.

Dr. Theres Matthieß (MZES) und Prof. Dr. Christian Stecker (MZES und TU Darmstadt), die beide Projekte am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim leiten, haben untersucht, was die Wählerinnen und Wähler über eine mögliche Minderheitsregierung nach der Bundestagswahl denken. „Während wir viel darüber wissen, welche Koalitionen die Menschen bevorzugen“, so Matthieß, „ist über die grundsätzliche Einstellung zu Minderheitsregierungen wenig bekannt.“ Um diese Lücke zu füllen, wurden im Vorfeld der Bundestagswahl 2.750 Bürger in einer bevölkerungs­repräsentativ quotierten Online-Umfrage um ihre Einschätzungen gebeten.

Pragmatische Unterstützung einer Minderheitsregierung ist erwünscht

Interessant ist, dass die Bürgerinnen und Bürger von ihrer bevorzugten Partei erwarten würden, dass sie auch eine Minderheitsregierung unterstützt, die von einem politischen Wettbewerber angeführt wird. Konfrontiert mit verschiedenen Szenarien, in denen entweder die SPD, die Union oder die Grünen als stärkste Kraft eine Minderheitsregierung anstrebt, gab eine große Mehrheit an, dass ihre bevorzugte Partei keine Fundamentalopposition betreiben, sondern sie fallweise unterstützen sollte. Beispielsweise wünschen 74 Prozent der Unions-Anhängerinnen und-Anhänger, dass die CDU/CSU im Bundestag eine SPD-geführte Minderheitsregierung unterstützt. Diese Unterstützungs­bereitschaft variiert laut Stecker entlang der inhaltlichen Nähe der Parteien. So würden Anhängerinnen und Anhänger der Grünen einer SPD-Minderheitsregierung besonders positiv gegenüberstehen (82 Prozent), aber auch eine CDU-geführte Minderheitsregierung unterstützen wollen (76 Prozent). „Wir sehen, dass die Wählerinnen und Wähler daran interessiert sind, dass die Parteien pragmatisch miteinander nach Kompromissen suchen und dies auch über die Grenzen von Regierung und Opposition möglich sein soll.“, fasst Stecker diesen Befund zusammen.

Die vollständige Analyse der Wissenschaft­ler inklusive grafischer Darstellungen steht zum Download zur Verfügung: https://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/misc/report_minreg.html

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