Meine Eltern sind das schon gewohnt. Ich bin als Jüngste von vier Kindern im Libanon, in Ansar, geboren worden und später sind meine Familie und ich nach Casablanca in Marokko gezogen. Meine älteren Geschwister studieren auch im Ausland: meine Schwester in Spanien, meine Brüder in Frankreich und im Libanon. Viele meiner Freundinnen und Freunde studieren im Ausland, z. B. in England und Kanada. Aber ich wollte lieber in ein Land, das ein bisschen außergewöhnlicher ist und so habe ich mich für Deutschland entschieden.
Nach meinem Schulabschluss wollte ich erst einmal die deutsche Sprache lernen und deswegen verbrachte ich sechs Monate in Köln, wo ich eine private Sprachschule besucht habe. Weil mein Schulabschluss in Deutschland nicht genügt, um an der Universität zugelassen zu werden, musste ich anschließend noch das Studienkolleg in Leipzig besuchen. Dann habe ich Bewerbungen für drei verschiedene Studiengänge an viele verschiedene Universitäten geschickt: für molekulare Biologie, molekulare Medizin und für Psychologie. An der Uni Mannheim wurde ich für Psychologie angenommen. Online habe ich dann recherchiert, was die Stadt Mannheim zu bieten hat und habe auch gesehen, dass die Universität international sehr gut in den Rankings abschneidet.
Schon in der Schule hatte ich in den Fächern Biologie und Chemie die besten Noten und mein Interesse für die Medizin wurde durch eine Arztserie geweckt, die im Fernsehen lief. Während meiner Zeit in Leipzig habe ich ehrenamtlich in einem Altenheim ausgeholfen. Ich habe mich mit den Menschen unterhalten, habe ihnen zugehört und war mit ihnen spazieren. Dabei habe ich gemerkt, dass ich gut darin bin, anderen zuzuhören und dass ich gerne helfe. Deswegen fiel die Wahl dann auf Psychologie. Auch in meiner WG bin ich für meine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner die erste Anlaufstelle bei Problemen. Sie wissen, dass sie mit mir über alles reden können.
Die ersten Wochen in Köln waren eine schwierige Zeit für mich. Einmal war ich so verzweifelt, dass ich dachte, ich packe das nicht. Ganz alleine, ohne Freundinnen und Freunde in einem fremden Land, dessen Sprache ich kaum konnte. Aber dann wurde es besser. Ich fand Freundinnen und Freunde und lernte, mich in der Stadt zurechtzufinden. Das hat mir auch dabei geholfen, mich in Mannheim schneller zurechtzufinden. Ich war schon viel eigenständiger. Zu Beginn des Studiums allerdings fiel es mir schwer, bei den deutschen Vorlesungen mitzukommen. Zum Glück ist die Uni Mannheim technologisch sehr gut ausgestattet. Es gibt Audio- und Videoaufnahmen von den Vorlesungen, sodass ich mir Zuhause die Vorlesungen nochmal anhören und das Tempo reduzieren konnte. So war es mir möglich, trotzdem sehr gute Noten zu schreiben, und mittlerweile komme ich auch im normalen Tempo mit.
In Mannheim sind die Uni, die Einkaufsmöglichkeiten und auch meine Wohnung sehr zentral gelegen, sodass ich kurze Wege habe. Außerdem sind die Leute hier sehr freundlich und offen gegenüber internationalen Studierenden. Es ist ein bisschen schade, dass es kein Meer gibt wie in meiner Heimatstadt, aber zumindest kann ich zu den beiden Flüssen gehen. An der Universität Mannheim gefällt mir besonders, dass alles so gut organisiert ist und man bei allen Fragen Hilfe bekommt. Die Universität bietet alles, was man braucht: nicht nur ein sehr gutes Studium, sondern auch tolle Freizeit- und Sportangebote. Ich gehe beispielsweise dreimal in der Woche zum Boxen. Dadurch, dass die Uni Mannheim so viele Studierende aus allen möglichen Ländern aufnimmt, habe ich auch Freundinnen und Freunde aus verschiedensten Kulturen gefunden. Meine Freundinnen und Freunde laden mich ein, sie in ihrer Heimat zu besuchen, und so habe ich überall auf der Welt ein Zuhause. Das nächste Mal werde ich meine Freundinnen und Freunde nach Marokko einladen.
Nach dem Bachelor möchte ich mich für den Master deutschlandweit, aber auch in Italien und England bewerben. Wenn ich einen Studienplatz bekomme, bleibe ich gerne in Mannheim. Später möchte ich in der klinischen Psychologie tätig sein, zuerst in Deutschland, aber danach will ich noch in anderen Ländern arbeiten.
Text: Anna-Lena Kiewiet / Februar 2020