„Wenn du etwas wirklich möchtest, wird sich dieser Traum erfüllen“

Alexander Goncharsky, 24, wird bald seinen Master abschließen und erzählt in seiner uniMAstory von den Höhepunkten seines Studiums in Mannheim, der Teilnahme an der Statistikolympiade im Iran als Vertreter für Deutschland und seinem Praktikum bei der Bundes­bank.

Warum hat es dich nach Deutschland verschlagen?

Ich bin schon seit zweieinhalb Jahren in Deutschland um hier meinen Master in VWL zu machen. Während meines Bachelor­studiums in Moskau war ich für ein Austauschsemester in Berlin an der Humboldt Universität und habe dort das Studentenleben in Deutschland kennen gelernt. Wie das Studium hier organisiert ist, hat mir sehr gut gefallen und deswegen wollte ich auch meinen Master in Deutschland machen. Als ich hier ankam, habe ich allerdings begriffen, dass Mannheim ein bisschen anders als Berlin ist. Sehr viel kleiner, aber umso besser für das Studium, dann gibt es nicht so viele Ablenkungen wie zum Beispiel Partys.

Empfindest du Mannheim im Vergleich zu Moskau und Berlin als ein Dorf?

Als ich hier ankam, dachte ich: Hier passiert ja gar nichts. Ich wusste im Voraus gar nichts über die Stadt, nur dass das Schloss schön ist. Am Anfang kam mir alles so klein vor, aber nach zwei Jahren habe ich mich daran gewöhnt und fühle mich sehr wohl. Als ich zum Beispiel mein Praktikum gemacht habe, in Frankfurt bei der Bundes­bank, habe ich mich wieder wie in einer Großstadt gefühlt und gemerkt, dass es kompliziert ist, sich von einer kleineren Stadt wieder an eine Großstadt zu gewöhnen. Das Schöne an Mannheim ist, dass man die Studierenden kennt. Als mein Bruder zu Besuch hier war, war er überrascht als mich in der Straßenbahn fünf oder sechs Leute gegrüßt haben. In Moskau ist das fast unmöglich, weil es eine riesige Stadt ist.

Wie gefällt dir das Studium in Deutschland im Vergleich deinem Bachelor?

Vom Inhaltlichen gibt es nicht so viele Unterschiede. Die Professor*innen hier an der Universität finde ich sehr interessant, sie arbeiteten bei der EZB oder bei der Bundes­bank und das sind dann nicht nur Theoretiker*innen, sondern auch Praktiker*innen. In Deutschland konnte ich auch erste Arbeits­erfahrungen sammeln, bei der Bundes­bank und beim Zentrum für Europäische Wirtschafts­forschung (ZEW). In Moskau gibt es nicht so viele Praktikums­möglichkeiten. Man kann natürlich neben dem Studium arbeiten, aber das stelle ich mir schwierig vor. Die Universität Mannheim war auch deswegen meine erste Priorität, weil sie eine der besten Universitäten für VWL in Europa ist.

Du hast während deines Studiums in Mannheim auch Bronze bei einer Statistikolympiade gewonnen. Wie war das für dich?

Ich durfte an einer Statistikolympiade als Vertreter für die Uni Mannheim teilnehmen und bin dazu in den Iran geflogen, zum ersten Mal. Davor habe ich viel über das Land gelesen. Als ich ankam, waren alle sehr nett zu mir, ganz anders als über das Land in den Nachrichten gesagt wird. Die Olympiade war sehr interessant. Ich musste drei Klausuren schreiben. Dabei war ich immer der Vertreter aus Deutschland – das war ein bisschen komisch. Als ich mich mit Vertretern aus Russland in meiner Muttersprache unterhalten habe, wurde ich gefragt, warum ich denn für Deutschland antrete.

Wie verbringst du deine Freizeit hier in Mannheim?

Ich spiele Tischtennis oder nutze andere Sport­möglichkeiten. Manchmal gehe ich auch ins Nationaltheater, um Opern anzuschauen. Außerdem reise ich viel, denn in Deutschland gibt es sehr gute Bahnverbindungen. Ich treffe mich mit meiner Familie an verschiedenen Orten in Europa. Was mir auch viel Spaß macht, ist Ski-Langlauf. Letztes Jahr war ich dazu zum Beispiel im Schwarzwald. Ich wohne in einer sehr internationalen WG im Studentenwohnheim. Meine Mitbewohner*innen sind aus Vietnam, Taiwan, viele aus Deutschland, und aus Brasilien. Trotzdem habe ich am meisten mit Deutschen zu tun. Das gefällt mir gut, so kann ich die Lebens- und Denkweise der Deutschen am besten verstehen. In Russland werde ich immer gefragt, ob die Deutschen mir gegenüber offen sind. Es gibt die stereotype Vorstellung, dass alle Deutschen verschlossen sind und es unmöglich ist, in Deutschland Freund*innen zu finden. Ich würde sagen, am Anfang mag das vielleicht stimmen. Aber sobald du befreundet bist, sind die Deutschen sehr ehrliche, offene Freund*innen. Nicht anders als in Russland.

Möchtest du nach dem Ende des Studiums in Deutschland bleiben?

Ich bewerbe mich momentan schon für eine Festanstellung bei Banken und Forschungs­zentren, aber schaue mich auch nach guten PhD-Programmen um. Dabei bin ich für alles offen. Generell würde ich gerne erst eine Zeit lang arbeiten. Um Theorien entwickeln zu können, muss man Erfahrungen aus der Praxis haben. Es gibt natürlich gute Möglichkeiten in Deutschland, ich bin aber auch für andere Länder offen. Das Leben in Deutschland gefällt mir aber auf jeden Fall.

Was nimmst du aus deiner Zeit in Mannheim mit?

Ich habe gelernt: Man muss immer träumen. Wenn du etwas wirklich möchtest, dann wird sich dieser Traum erfüllen. Ich war wahrscheinlich nicht der beste in meinem Kurs in Moskau, aber trotzdem habe ich es hierher geschafft, habe ein Stipendium für ein Jahr erhalten, und danach gearbeitet. Ich habe als Tutor für Bachelor­studenten Mikro- und Makroökonomie unterrichtet. Es ist zwar schade, dass ich meine russischen Freund*innen gerade nicht sehe. Aber wenn man sich immer an seinen Freund*innen orientiert und deswegen an einem Ort bleibt, entwickelt man sich vielleicht nicht weiter. Mit guten Freund*innen bleibt man sowieso immer in Kontakt. Umso schöner, wenn man sich viel zu erzählen hat oder neue Leute kennen lernt.

Text: Anna-Lena Lämmle / Januar 2018